Wenn Prüfungsangst zuschlägt, hilft einfühlsame Begleitung
Am ganzen Körper bricht der Schweiß aus, die Hände beginnen zu zittern und im Kopf herrscht plötzlich gähnende Leere: Wenn ihre Prüfungsangst zuschlägt, weiß Katharina Weigl gar nichts mehr. Dabei hat die 30-Jährige in der Prüfungsvorbereitung, die Teil ihres Computerkurses im ipcenter ist, stolze 94 Prozent aller Punkte erreicht. Aber dieses Wissen ist wie weggeblasen, sobald sich die Tür zum Prüfungsraum hinter ihr schließt. „Auf dem Weg ist noch alles okay, doch dann schmeiße ich die Nerven weg”, sagt die junge Frau, die seit ihrer Schulzeit mit diesem Problem kämpft. „Ich habe schon sehr viele Prüfungen wegen meiner Angst nicht bestanden, unter anderem die Aufnahmeprüfung für die Kindergartenschule.”
Was hilft, wenn Kursteilnehmende im Unterricht alles verstehen und gut lernen, aber in ihrem Kopf ein Blackout droht, sobald ihr Wissen abgefragt werden soll? Globuli seien leider keine Lösung, meint Katharina Weigl. Und auch sich selbst zu beruhigen, in dem sie die Augen schließe und tief durchatme, funktioniere nur kurz. Gute Erfahrungen hat Katharina dagegen mit einfühlsamen Prüfer:innen gemacht – Prüfer:innen, die Verständnis für ihre Prüfungsangst haben und ihr das Gefühl geben, in der Situation nicht allein zu sein. „Es hilft mir, wenn mir der Prüfer gut zuredet.” Eine Frage vielleicht noch einmal anders zu formulieren könne schon dazu beitragen, dass die Barriere im Kopf fällt und das im Kurs erworbene Wissen doch wieder abrufbar ist.
Ein Glück für Katharina, dass dieses Mal Mario Wanderer ihr Prüfer ist. Er unterrichtet seit vielen Jahren im Bereich ECDL oder neu ICDL (International Certification of Digital Literacy) am ipcenter, bringt in dieser Rolle nach einem international einheitlichen Standard den Umgang mit den wichtigsten Computerprogrammen bei und nimmt seit einiger Zeit auch Prüfungen in diesem Bereich ab. Der 49-Jährige ist ein Mutmacher; einer, dem es wichtig ist, seinen Teilnehmenden auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen vom ersten Kurstag an die Angst vor einem Versagen in der Abschlussprüfung zu nehmen. „Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass es keine unmittelbaren Folgen hat, wenn die Prüfung nicht bestanden wird, und dass es immer die Möglichkeit einer Wiederholung gibt.”
Im Unterricht nimmt sich Mario Wanderer besonders viel Zeit für die prüfungsrelevanten Themen. „Mein Credo ist Wissensvermittlung auf Augenhöhe.” Und sollte die Nervosität in der Gruppe in den Tagen vor der Prüfung trotz guter Vorbereitung steigen, erinnert er die Teilnehmenden daran, dass sie in ihrem Leben schon viel schwierigere Situationen wie zum Beispiel Geburten oder Krankheiten gemeistert haben. „Eine ICDL-Prüfung ist ja keine Operation am offenen Herzen, es kann nichts Schlimmes passieren.”
Eine, die von einem strukturierten Unterricht profitiert, ist Alice Klinger. Wie Katharina Weigl leidet auch sie seit ihrer Schulzeit unter Prüfungsangst. „Mir hilft es, wenn wie hier beim Kurs im ipcenter der Unterricht und die Lernunterlagen klar und verständlich aufgebaut sind und sie im Kurs mit dem Vortragenden im Detail und mit vielen Beispielen durchgearbeitet werden“, erzählt die 42-Jährige, die bei ipcenter gerade einen Kurs über Computing mit Python absolviert hat. „Man kann die Beispiele und Aufgaben auch zusätzlich alleine wiederholen, dazu gibt es noch nach jedem Lernabschnitt ein Quiz, mit dem überprüft wird, ob man das Gelernte auch verstanden hat. Die Ergebnisse bespricht man dann in der Gruppe. Da ich mich auf diese Weise gut vorbereitet fühle, kann ich besser mit meiner Angst umgehen und mit einem guten Gefühl in die Prüfung gehen.“
Wichtig ist Alice Klinger auch, dass sich die Kursleitenden Zeit nehmen, die Beispiele zu erklären und dass sie bei Fragen zur Verfügung stehen. Aus Sicht von ICDL-Trainer Mario Wanderer gehört noch mehr dazu: Ihm ist es ein Anliegen, Menschen, die vielleicht schon sehr lange Arbeit suchen, ein Erfolgserlebnis zu verschaffen: „Ich mache ihnen immer klar, wie viel sie im Kurs gelernt haben, selbst wenn es vielleicht nicht zum Bestehen der Prüfung reicht.“
Etwa zehn Prozent der Teilnehmenden leiden nach Mario Wanderers Schätzung unter Prüfungsangst, wobei die Dunkelziffer höher sein könnte: „Frauen lassen es sich eher anmerken als Männer, wenn sie Angst haben.“ Wer lange nicht mit einer Prüfungssituation konfrontiert war, fürchte sich eher davor als Menschen, die häufig ihr Wissen oder Können testen, zum Beispiel beim Sport. „Ich habe 25 Jahre Tischtennis in der höchsten Wiener Spielklasse gespielt und war jedes Mal nervös, wenn ein Meisterschaftsspiel anstand“, erzählt Mario. „Doch nach den ersten Ballwechseln und den damit verbundenen Erfolgserlebnissen verschwand die Nervosität.“
Wenn der Prüfungstag dann da ist, zeige sich die Angst in Sätzen wie „Ich habe plötzlich alles vergessen“ oder „Ich schaffe das nie“, aber auch in den schon eingangs erwähnten körperlichen Symptomen wie Schweißausbrüchen und Zittern. Mario Wanderer versucht dann, durch ein fröhliches Auftreten und der Versicherung, bei komplizierten Prüfungsfragen mit einfacheren Formulierungen zu helfen, ein Wohlfühlklima zu schaffen. „Ich rate außerdem dazu, mit den leichteren Fragen zu beginnen und sich dadurch schnell Erfolgserlebnisse zu verschaffen.“
Allen, die ihre Aufregung dennoch nicht loswerden, empfiehlt Clara, die am ipcenter einen ECDL-Kurs besucht, eine Klopftechnik namens MFT: „Diese Abkürzung steht für Mentalfeldtechnik und ist sehr leicht selbst anzuwenden. Dabei werden bestimmte Akupunkturpunkte rhythmisch beklopft. Der Körper fährt dadurch automatisch die innere Aufregung herunter.“ Erfolgreich angewendet hat die 43-Jährige ehemalige Musikerin diese Technik früher vor Konzerten.
Womit auch immer die Prüfungsangst bekämpft und hoffentlich erfolgreich besiegt wird, ein gewisses Lampenfieber wird immer bleiben und gehört einfach zu so einer Situation dazu – übrigens nicht nur bei den Absolvent:innen, sondern auch bei den Prüfer:innen, verrät Mario Wanderer: „Ich habe immer Lampenfieber, wenn meine Teilnehmenden zur Prüfung gehen.“
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