Mit kleinem Budget Großes schaffen
„Lieblingsstücke“ heißt eine Ausstellung im ipcenter, die die Arbeiten der Medienlehrlinge noch bis September 2023 ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Es sind besondere Fotos und Zeichnungen, aber auch kurze Videos und komplexe Filmproduktionen, die die Jugendlichen vor oder während ihrer überbetrieblichen Ausbildung zum/zur Medienfachmann/-frau (m/w/x) im ipcenter angefertigt haben. Ein paar von ihnen stellen wir beispielhaft vor.
Ein Korrespondentenbericht aus London, in dem der Journalist vor einer Telefonzelle in Wien steht? Regen, der nicht vom Himmel fällt, sondern aus einer Wasserflasche auf die Wetterfee gespritzt wird? Und ein Bericht über Basketball, in dem der Reporter plötzlich das Mikrofon weglegt und selbst versucht, einen Korb zu werfen?
Was bei Fernsehprofis verwundern würde, zeugt bei einer Produktion der Medienlehrlinge im ipcenter von Einfallsreichtum, Improvisationstalent und Teamgeist. Für das rund 20-minütige Nachrichtenmagazin “MediaOver15” haben sich angehende Medienprofis in ihrem 2. Lehrjahr der überbetrieblichen Ausbildung intensiv mit allen Aufgaben auseinandergesetzt, die bei so einer Sendung anfallen. „Das ist eine hochkomplex verschachtelte Produktion, die aus verschiedensten Puzzleteilen zusammengesetzt wurde”, sagt Medientrainerin Elena Karloff. Vom Schreiben des Drehbuchs und dem Storyboard über Sound und Licht bis hin zur Organisation haben die Jugendlichen alles selbst gemacht und dabei nicht nur auf der technischen Seite sehr viel gelernt. Trainerin Desislava Terzieva, unter deren Leitung die Sendung produziert wurde, lobt vor allem die Flexibilität der Mitwirkenden: „Wenn es Bedarf gab, sind sie von einer Rolle zur anderen gesprungen, was das Ganze sehr professionell macht.”
Dabei startete der Dreh im Dezember 2021 unter schwierigen Bedingungen: Wegen Corona musste die Gruppe teilweise im Homeoffice bleiben. Dennoch schaffte sie es, die Dreharbeiten im April 2022 abzuschließen. Zwei Monate später war der Schnitt fertig. Um alle Aufgaben zu bewältigen, wurde die Gruppe, die nach Einschätzung ihrer Trainerin „super geeignet für so eine große Produktion” war, in mehrere Teams aufgeteilt, wobei Multitasking die Regel war: Rene Bauch beispielsweise hat nicht nur die Organisation übernommen und das Skript geschrieben, sondern bildet zusammen mit Jasmin Pecl auch das Moderationsduo. Außerdem ist er auch als Reporter und Interviewer im Einsatz, während Jasmin Pecl auch als Kamerafrau gearbeitet hat, nicht zu vergessen ihre Hilfe beim Studioaufbau in der Breitenfurter Straße 111-113.
„Wir haben sehr viel mit dem Greenscreen probiert, damit es zum Beispiel keine Falten auf dem grünen Hintergrund gab”, erzählt Moderatorin Jasmin Pecl. Denn der professionell aussehende Studiohintergrund mit dem coolen Logo „Media over 15” in Schwarz und Orange, das Daniel Lammer entworfen und Matthew Luya variiert hat, existiert nicht in der Realität, sondern wurde von Medienlehrling Niklas Lager am Computer gestaltet.
Professionell wirken auch die Werbespots, die den redaktionellen Inhalt ganz wie im echten Fernsehleben immer wieder unterbrechen. Während Sascha Obermann und Marko Mijajlović ihr Männerparfum mit dem verwegenen Namen „Devilsfruit” martialisch-herb in Szene setzen, präsentiert Elham Shahrokhi ihre „Ella Cosmetic” filmisch raffiniert, zart und verspielt. Wieder anders, nämlich mit Sinn für Komik, werben Makken Eliz Calanog, Jasmin Pecl und Daniel Lammer für die Firma „Flex Death“. Bei ihr sind animierte Grabsteine erhältlich, die zum Beispiel in Form von sich zuprostenden Krügen die Erinnerung an leidenschaftliche Biertrinker unerwartet lebendig halten.
Die meisten Beiträge des Nachrichenmagazins sind jedoch nicht im Studio, sondern draußen entstanden. Ein Problem, das es dabei zu meistern galt, war die Abhängigkeit vom Wetter: „Da mussten wir sehr flexibel sein”, erinnert sich Sascha Obermann, der unter anderem am Sportbericht mitgearbeitet hat. In dessen Mittelpunkt stehen für österreichische Nachrichtensendungen ungewöhnliche Sportarten wie Skateboard und Basketball. „Wobei der Film über Basketball eher ein Comedyvideo wurde, denn die meisten von uns konnten kein Basketball spielen”, sagt Produzent und Drehbuchautor Naser Bajrami lachend. Umso besser, dass etliche Lehrlinge aus anderen Gruppen der überbetrieblichen Ausbildung im ipcenter die Dreharbeiten in einem Park im 12. Bezirk als Statisten unterstützt haben. Dass der Berichterstatter am Ende selbst zum Ball greift mit dem Vorsatz, ein paar Körbe zu werfen, gehört ebenfalls zu den Szenen, die sonst eher selten im Fernsehen zu sehen sind.
Dass es das Budget der Sendung überschritten hätte, wenn Matthew Luya und Kelvin Asare für ihren Korrespondentenbericht tatsächlich nach London gereist wären, liegt auf der Hand. Doch nur wer genau hinschaut, erkennt die Location im 3. Wiener Gemeindebezirk. „Beim Hundertwasserhaus steht eine dieser typischen roten Telefonzellen”, verrät Matthew Luya. Ins Bild laufende Tourist:innen und andere Widrigkeiten wie die Tatsache, dass bei einer Aufnahme das Schild einer wientypischen Bäckerei zu sehen war, führten dazu, dass einige Versuche benötigt wurden. bis der Bericht im Kasten war.
Auch beim Wetterbericht war Durchhaltevermögen gefragt, denn ausgerechnet bei diesen Dreharbeiten spielten Regen und Sonne ihr eigenes Spiel. Ziel sei es gewesen, während des Nachrichtenmagazins drei Wetterberichte mit je anderem Wetter zu zeigen, erklärt Desislava Terzieva. „Doch im Endeffekt haben wir alles bei gutem Wetter gefilmt und der Regen für den einen Beitrag musste mit einer Flasche Wasser künstlich erzeugt werden.” Weshalb das Wasser Wetterdame Ajla Djilic eher von der Seite als von oben trifft und ihr Regenschirm gegen diese Art von Regen nicht viel nutzt. Doch es gab auch günstige Zufälle: Als Ajla mit Sonnenbrille und schulterfreiem Top auf der Donauinsel stand und sonnige 23 Grad versprach, schwamm hinter ihr genau in dem Moment, in dem sie dazu rät, statt der Winterjacke die Badehose anzuziehen, ein Mann vorbei.
„Man kann auch mit einem Low Budget etwas Großes schaffen, das war eine wichtige Lehre für uns”, sagt Naser Bajrami. Weitere Lektion: Das Durchhalten, all die Schleifen und Wiederholungen, die nötig sind, um ein Projekt abzuschließen. Ein Interview noch ein zweites und drittes Mal zu filmen, die Scheinwerfer zu verändern, eine andere Kameraeinstellung zu wählen, anderes Wetter abzuwarten… „Das war toller Einsatz von allen”, lobt Desislava Terzieva. Und eine hervorragende Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung, die im September 2023 zu meistern ist.
Hier können Sie einen Blick in die virtuelle Galerie werfen.
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