Leichter lernen mit dem virtuellen StudyBuddy
Eine persönliche Betreuung, die rund um die Uhr zur Verfügung steht, auf alle Fragen eine Antwort weiß und dabei niemals ungeduldig wird? Zumindest in virtueller Form genießen wir diese Form von unermüdlicher Begleitung schon längst: „Künstliche Intelligenz ist eine Assistenz, die dich dabei unterstützt, dein Ziel zu erreichen“, erklärt E-Learning-Expertin Charlotte Leschanowsky.
Im Bildungsbereich können Lernende und Lehrende davon gleichermaßen profitieren. Bleiben wir zunächst bei den Lehrenden: „Sie können sich beispielsweise komplette Lehrgänge bzw. Kurse mit ChatGPT erarbeiten lassen“, sagt Charlotte Leschanowsky. Nicht nur im Bereich Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache (DaF/DaZ) sei ChatGPT dabei „das absolut beste Tool“, und zwar auch in der kostenlosen 3.5-Version. „Nehmen wir als Beispiel eine Deutschtrainerin, die einen Kurs auf dem Niveau B2 abhalten soll und überlegt, wie sie den Unterricht am besten vorbereiten kann. Sie kann bei ChatGPT ein Chatfenster öffnen und als Prompt folgenden Text eingeben: Ich bin Trainerin für Deutsch als Fremdsprache und habe die Aufgabe, einen Kurs in drei Monaten zur Prüfung zu begleiten. Der Unterricht findet täglich von Montag bis Freitag jeweils drei Stunden statt und die Teilnehmenden bringen eine große Bandbreite an Vorwissen mit. Bitte gestalte mir die erste Woche mit einer Wiederholung von B1.“
Je genauer der Prompt – so wird der Arbeitsauftrag für die KI-Assistenz bezeichnet -, desto passgenauer das Ergebnis. Daher sollten beispielsweise auch die Lehr- und Arbeitsbücher angegeben werden, die im Kurs Verwendung finden. „Ganz wichtig ist dabei aber, dass man auf keinen Fall schutzwürdige sensible Daten wie zum Beispiel Namen und Adressen offenbart“, gibt die E-Learning-Expertin zu bedenken. Ebenfalls zwingend notwendig: Die Aufgaben und Übungen, die die KI aus den Prompts entwickelt, zu kontrollieren. „ChatGPT ist eine Assistenz. Und Assisstenten sind keine Profis, sondern machen Fehler.“ Auch wer sich nicht den kompletten Kurs, sondern nur Übungsbeispiele zu bestimmten Themen von ChatGPT kreieren lässt, sollte sie genau überprüfen und gegebenenfalls korrigieren, bevor er sie ausdruckt und Kursteilnehmenden in die Hand drückt.
Apropos Teilnehmende: Für sie ist das Angebot der Unterstützung durch KI noch vielfältiger. Mit am stärksten genutzt wird sicherlich die Möglichkeit, sich von der KI Texte schreiben oder zumindest korrigieren zu lassen – eine Form von Unterstützung, die Lehrer:innen zumeist ein Dorn im Auge ist, da die Teilnehmer:innen auf diese Weise nicht selbst lernen, wie sie etwa eine E-Mail, eine Zusammenfassung oder ein Kommentar verfassen können. „Sie sollten im Unterricht zumindest den Prozess zum Ergebnis offenlegen, also zeigen, wie sie gepromptet haben“, ist Charlotte Leschanowskys Vorschlag für einen offenen und konstruktiven Umgang mit dieser Art von „Hilfe“. Dann könne im Unterricht zumindest darüber diskutiert werden, welche Aufgabenstellung zu welchem Ergebnis führe.
Weniger einseitig und viel eher fördernd und unterstützend ist die Möglichkeit, die KI als Lernpartner:in oder auch „StudyBuddy“ zu nutzen. „Chatbots lassen sich beispielsweise so anleiten, dass sie einen Dialog herstellen“, erläutert Charlotte Leschanowsky. Wer seine Fähigkeiten, sich in einer Fremdsprache auszudrücken, verbessen wolle, könne den virtuellen Gesprächspartner darum bitten, sich auf einem vorher festgelegten Sprachniveau über ein bestimmtes Thema, zum Beispiel Reisen, Gesundheit oder Kunst, auszutauschen und auf diese Weise Hemmungen beim Sprechen abbauen. Das helfe zum Beispiel bei der Prüfungsvorbereitung. In diesem Zusammenhang bietet KI auch die Möglichkeit, Testaufgaben wie Bild- oder Personenbeschreibungen zu korrigieren.
Einer dieser virtuellen Lernpartner:innen stammt von Google und befindet sich noch in der Entwicklungsphase, ist also auf Deutsch noch nicht verfügbar. Der amerikanische Konzern bezeichnet „Learn About“ als „dialogorientierten Lernbegleiter“. Das Tool soll also darauf ausgelegt sein, hochgradig personalisierte Konversationen zu führen, die sich am individuellen Wissensstand des Lernenden orientieren. Ziel des Tools soll dabei nicht sein, die bestmögliche Antwort auf eingehende Prompts zu liefern und die Nutzer:innen im Anschluss damit allein zu lassen, sondern im Dialog dabei zu helfen, komplexe Themen zu erarbeiten und Wissen zu vertiefen.
Bereits gut erprobt und etabliert ist die kostenlose App Uugot.it, die auf unterhaltsame Weise beim Sprachenlernen hilft, indem sie dem:der Nutzer:in aktuelle Beiträge aus ORF-Fernsehsendungen vorschlägt und dazu interaktive Untertitel erstellt. Interaktiv heißt in diesem Fall, dass sich unbekannte Wörter anklicken lassen und eine maschinengestützte Übersetzung in die zuvor ausgewählte Mutter-bzw. Erstsprache angezeigt wird. Zusätzlich erstellt das Programm im Hintergrund ein Glossar mit diesen Wörtern, um sie in einem zweiten Schritt lernen zu können. „So werden das Deutschlernen und der Integrationsprozess zeitgleich vorangebracht“, lobt Charlotte Leschanowsky die mehrfach ausgezeichnete App, die für Android, iPhone, Windows und Mac erhältlich ist. Für Deutschlernende in Pflegeberufen hat das ipcenter im Rahmen des Erasmus+-Projekts IDEAL sogar eine spezielle App auf der Basis von Uugot.it mitentwickelt: Mit interaktiven Filmen können sie das für ihren Beruf nötige Sprachwissen auf effiziente Weise erwerben.
Was für die Pflege gilt, gilt auch fürs Lernen: Trotz aller Entwicklungen im Bereich der KI bleibt der Mensch unersetzbar. „Wenn es um Themen wie Alphabetisierung geht, braucht es Menschen, aber wenn diese grundlegende Fähigkeiten erworben wurden, kann zur Vermittlung von Basiswissen sehr gut die KI herangezogen werden. Daher wird es künftig viel leichter werden, sich Grundwissen anzueignen“, ist Charlotte Leschanowsky überzeugt. Fortgeschrittene Lernende würden dann eher wieder von einem Unterricht durch einen Menschen profitieren. „Unser Anspruch ist ja kompetenzorientiert zu unterrichten, weg vom klassischen Frontalunterricht. Die KI wird sich etablieren, wie sich das Internet etabliert hat. Siri und Alexa sind die besten Beispiele dafür, wie KI schon Teil unseres Alltags ist, ohne dass wir es bemerken.“
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